Martin Sabrow/Norbert Frei (Hg.)
Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945
Die Frage nach der Bedeutung der „Mitlebenden“ (Hans Rothfels) für die Produktion des historischen Wissens hat die Zeitgeschichtsforschung bereits im Moment ihrer Neuerfindung nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Doch mit der wachsenden Medialisierung von Geschichte seit den siebziger Jahren hat sich das Spannungsverhältnis zwischen Zeitzeugenschaft und Zeitgeschichte verschärft – und die „authentische Stimme“ des Zeitzeugen einen immer größeren Einfluss auf die öffentliche Präsentation historischer Themen erlangt. Gerade die Debatten der letzten Jahre um die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Gewalterfahrungen in den kommunistischen Diktaturen Osteuropas haben deutlich gemacht, dass die Figur des Zeitzeugen als Phänomen der öffentlichen Geschichtskultur ihrem historischen Entstehungskontext längst entwachsen ist: Die „Geburt“ des Zeitzeugen nach 1945 und seine Entwicklung seitdem bedarf deshalb der systematischen Reflexion: Wie ist in dieser langfristigen Perspektive seine gewachsene Bedeutung zu verstehen? Ist sie lediglich Ausdruck veränderter medialer Produktionslogiken? Oder liegen die Ursachen tiefer: in generationellen Umbrüchen, in den Konjunkturzyklen einer – jedenfalls mit Blick auf Nationalsozialismus und Holocaust – zunehmend transnationalen Erinnerungskultur? Und was bedeutet der Aufstieg des Zeitzeugen für das Verhältnis von Geschichtsschreibung und Erinnerung? Mit Beiträgen von José Brunner, Christoph Classen, Filippo Focardi, Rainer Gries, Laura Jockusch, Wulf Kansteiner, Judith Keilbach, Hanno Loewy, Martin Sabrow, Silke Satjukow, Achim Saupe, Irina Scherbakowa, Sybille Steinbacher, Harald Welzer, Jolande Withuis und Hanna Yablonka.
Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 14 / Geschichte der Gegenwart (Hg. von Frank Bösch und Martin Sabrow), Bd. 4
Wallstein Verlag Göttingen
erschienen Juni 2012, lieferbar
376 Seiten
€ 34,90 (D) / € 35,90 (A) / CHF 44,90
ISBN: 978-3-8353-1036-0