Prof. Dr. Mary Fulbrook
(London)
Mary Fulbrook, geboren 1951 in Cardiff/Wales, ist Professorin für Deutsche Geschichte am University College London. Mit zahlreichen Veröffentlichungen zur deutschen und europäischen Gesellschafts- und Erfahrungsgeschichte im „Zeitalter der Extreme“ hat sie sich weit über den englischsprachigen Raum hinaus einen Namen gemacht.
Nach ihrem Studium an der Cambridge University promovierte Mary Fulbrook 1979 an der Harvard University mit einer Arbeit über Piety and Politics: Religion and the Rise of Absolutism in England, Württemberg and Prussia (1983). Von 1979 bis 1982 war sie als Research Fellow und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Cambridge University, danach für ein Jahr am Londoner King’s College tätig. Seit 1983 lehrt sie am University College London, wo sie 1995 zur Professorin ernannt wurde. Sie leitete dort von 1991 bis 2010 das Zentrum für Europäische Studien und ist derzeit Prodekanin der Faculty of Arts and Humanities. Fulbrook war von 1996 bis 1999 Vorsitzende der German History Society, deren Zeitschrift German History sie 1983 gemeinsam mit Richard J. Evans gründete; seit 2007 ist sie Vorsitzende der Sektion für Zeitgeschichte der British Academy. Sie gehört dem Wissenschaftlichen Kuratorium der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie dem Internationalen Beirat der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung an.
Mary Fulbrook verfasste mehrere Überblicksdarstellungen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert: Auf das in zwölf Sprachen übersetzte Werk A Concise History of Germany (1990) folgten A History of Germany, 1918-2008: The Divided Nation (1991), The Two Germanies 1945-1990: Problems of Interpretation (1992; Neuausgabe 2000) und Anatomy of a Dictatorship: Inside the GDR (1995). Nach einer Arbeit über German National Identity after the Holocaust (1999) und einer Abhandlung über Historical Theory (2000) wandte sich Fulbrook erneut der DDR-Geschichte zu und veröffentlichte 2005 ihr Buch The People’s State: East German Society from Hitler to Honecker, das 2008 unter dem Titel Ein ganz normales Leben: Alltag und Gesellschaft in der DDR auch auf Deutsch erschien. In ihrem jüngst vieldiskutierten Buch Dissonant Lives: Generations and Violence through the German Dictatorships (2011) nahm Fulbrook Verhaltensweisen und Gewalterfahrungen von Deutschen in der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR vergleichend und zäsurübergreifend in den Blick.
Für ihr neuestes Buch – A Small Town near Auschwitz: Ordinary Nazis and the Holocaust – wurde Mary Fulbrook mit dem Fraenkel Prize 2012 der Wiener Library geehrt. Ihre beeindruckende Mikrostudie über die polnische Stadt Będzin unter deutscher Besatzung und den dort amtierenden Landrat Udo Klausa entstand auch aus einer ganz persönlichen Motivation: Fulbrooks in Berlin geborene Mutter, die Deutschland 1937 aus „rassischen“ Gründen endgültig verließ, war seit Schulzeiten eng mit Klausas Ehefrau befreundet – und blieb es auch nach 1945. Fragen nach dem rückblickenden Umgang mit den NS-Verbrechen – aus Sicht der Täter und Opfer, aber ebenso der „zweiten Generation“ – stehen auch im Fokus ihres aktuellen Forschungsprojektes.
Am Mittwoch, den 24. April 2013 hielt Mary Fulbrook einen öffentlichen Vortrag zum Thema Die DDR und der Nationalsozialismus. Historische Erfahrung und kollektives Gedächtnis in den Rosensälen der Friedrich-Schiller-Universität. Ihr Buch A Small Town near Auschwitz stellte sie am 12. Juni 2013 im Zeitgeschichtlichen Kolloquium vor.